Der Rahmen für ein gutes Coaching – duzen oder siezen?

Bloggen 

Verträgt sich das vermeintlich verstaubte Sie mit der relativ jungen Form des Bloggens? Journalisten würden vermutlich sagen, das kommt auf die Zielgruppe an. Stimmt, nur finden sich in meiner Praxis nicht nur Führungskräfte oder solche, die das werden möchten ein, sondern auch Privatpersonen jeden Alters,  (Berufs)-Einsteiger, Umsteiger, Aussteiger. Eben Menschen an Weggabelungen und Stufen, in deren Leben es gerade von einer Phase in eine andere geht. Ich meine ein Du könnte ausgrenzen, mit der Wahl des Sie beziehe ich alle ein und das ist mir wichtig.  Manche finden inzwischen alleine die Frage “Duzen oder siezen?” antiquiert und sind Verfechter des informellen “Du”. Andere erkennen mindestens eine Gemengelage, in der gemeinsame Klärung nötig ist. Vermutlich durch den Fachkräftemangel und neue Anforderungen jüngerer Arbeitnehmer,  sehen wir Konzernchefs ein kollektives Du einführen. In Kursen wird zu Beginn die Bereitschaft zum Du “abgefragt” und es gilt fast überall: Mehr Coolness. Ich frage mich, ist ein allzu breit gestreutes, oft sogar aufgezwungenes Du, nicht genauso eine Konvention, wie ein sperriges Sie? Ist ein Express Du ohne die Entwicklung über ein Sie überhaupt noch etwas besonders?

Kleiner Ausflug

So verstaubt ist das Sie gar nicht. Vor einem Jahrhundert sprachen sich Eheleute, Kinder und Eltern noch mit dem formellen Sie an und bis in die 60er duzten sich Kommilitonen. Ein russisches Sie ist formeller als ein französisches Sie. In Skandinavien ist du gängig und jetzt warten Sie vielleicht auf das Beispiel des englischen “you”. Aber Vorsicht, “you” ist historisch das alte “Sie”. Im angelsächsischen Raum siezen sich also alle. Sieh mal an.

Im Deutschen gibt es kreative, regionale Mischformen:

– “Wie meinen Sie das, Susanne?” – das Hamburger Sie.
– “Frau Moritzen, bringst du mir eine Tasse Tee?” – das Münchner Du. 

Eine Gruppe könnten wir je nach Region mit “Ihr” ansprechen, ohne die Einzelnen dabei geduzt zu haben. Aha. Ganz schön bunt und wir betrachten gerade mal jüngere Vergangenheit und europäischen Sprachraum. Da wundere ich mich, warum gerade im sensiblen Moment der Anrede die ansonsten hochgelobte Diversität auf einmal verschwinden soll. Dass duzen einfacher sein soll als siezen kann kein ausreichender Grund für das grassierende Express Du sein, beim Gendern nehmen wir die Mühe des Umstands  ja schliesslich auch in Kauf. 

Duzen oder siezen im Coaching?

Für ein gelungenes Coaching ist der Rahmen entscheidend. Dazu gehören eine für beide passende Sprachebene und angemessene Anrede. Braucht es die Nähe des Du, um überhaupt erst die essentielle Vertrauensebene herzustellen, die für ein Biografie Coaching so wichtig ist? Zwar übe ich mich nicht in therapeutischer Abstinenz, d.h. ich erzähle wo angemessen auch von mir und ich gehe emotional mit – aber ich bin in dieser Situation Ihr Coach, nicht Ihre gute Freundin. Für meine Aufmerksamkeit und Präsenz erhalte ich ein Honorar, damit Sie meine Fähigkeiten nutzen können, ohne sich anschliessend meine Herausforderungen anhören oder mir Lob aussprechen zu müssen. Die Wahl des Sie ist in der Beibehaltung der Rollen hilfreich, vor allem dann,  wenn Coaching neu für Sie ist. Manchmal gebe ich unbequeme Rückmeldungen, die umso katalysierender für Ihren Entwicklungsprozess sind. Sie dürfen das, was ich Ihnen sage, ohne jede Hemmnis oder falsche Rücksichtnahme frei verwerfen oder voll für sich verwerten. Das sollen Sie sogar, denn die Bindung entsteht zu Ihnen selbst und zu Ihren Wünschen und Zielen, nicht per se zu mir. Die sprachliche Distanz des Sie modelliert meine professionelle Distanz und Ihre Würde. Letztlich ist die Entscheidung co-aktiv, wie meine Coaching Methode.  Wir entscheiden gemeinsam, welche Anrede stimmig ist.  

Audio Empfehlung

Wer regelmässig mitliest, weiss, ich beschäftige mich gerade mit der Erstellung von Podcasts und Audiobeiträgen und höre seither noch mehr als in der Vergangenheit.  Während der Recherche zu diesem Beitrag bin ich auf diesen wunderbaren Vortrag von Dr. Werner Schäfer von der Uni Trier gestossen.  Der Beitrag wurde im SWR2 gesendet.

Audio – Sprachgeschichte Werner Schäfer

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Photo by krakenimages on Unsplash

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